Leo Koenigsberger: Hermann von Helmholtz

Helmholtz als Professor der Physiologie in Heidelberg
von Michaelis 1858 bis Ostern 1871.
(Fortsetzung)


Hermann von Helmholtz:
Zur Bedeutung der Entwicklungsgeschichte in den Naturwissenschaften

„Es ist sehr lehrreich, sich in den Gedankenkreis und die Sinnesweise alter Zeiten zurückzuversetzen; aber man stösst dabei auf unerwartete Schwierigkeiten. Vieles, was wir von unserer ersten Kindheit an gewusst und gekonnt (Seite 32) haben, ohne dass unserer Erinnerung nach es uns jemand gelehrt hätte, was uns daher als ganz einfach und selbstverständlich erscheint: das haben, wie wir staunend entdecken, in alten Zeiten auch die leitenden Männer der intelligentesten Nationen nicht gekonnt und nicht gewusst. Gerade bei solcher Gelegenheit tritt am entschiedensten hervor, dass wir der Arbeit der vorausgegangenen Generationen noch viel mehr verdanken, als wir uns gewöhnlich klar machen.

Solche Gedanken drängen sich uns auf, wenn wir auf die Geschichte der Naturwissenschaften zurückblicken. Nichts ist einfacher, als die Methode der Forschung dieser Wissenschaften, wie sich dieselbe schliesslich, nachdem viele Irrwege vergebens betreten waren, festgestellt hat. Diese Methode, die unter dem Namen der inductiven beschrieben zu werden pflegt, ist in der That nichts anderes, als das Verfahren, welches der sogenannte gesunde Menschenverstand für die praktischen Zwecke des täglichen Lebens ohne alle wissenschaftliche Schulung von selbst einzuschlagen pflegt, und von dessen Anwendung wir selbst bei den intelligenteren Thieren unverkennbare Spuren finden. Durch Erfahrung suchen wir kennen zu lernen, wie sich die uns umgebenden Dinge unter diesen oder jenen Umständen, namentlich auch bei den Eingriffen, die wir durch unsere Handlungen machen, zu verhalten pflegen. Wir setzen dann voraus, dass in jedem neu eintretenden Falle der Verlauf der Dinge der gleiche sein werde, wie in allen früheren Fällen von hinlänglich ähnlicher Art. Der Unterschied zwischen der wissenschaftlichen Forschung und der alltäglichen Erfahrung liegt nur darin, dass wir in letzterer die Fälle so hinnehmen, wie sie der Zufall uns vorführt, dass wir uns mit den allmählich sich verdunkelnden Erinnerungen des Gesehenen begnügen, wie sie in unserem Gedächtnisse haften bleiben, dass das einzige Maass, nach welchem wir quantitative und qualitative Unterschiede beurtheilen, meist (Seite 33) nur durch die Intensität und Art der sinnlichen Empfindung gegeben ist. Bei wissenschaftlicher Forschung dagegen suchen wir möglichst grosse Vollständigkeit in der Beobachtung der einzelnen Fälle und ihrer Abänderungen zu erreichen, indem wir sie entweder aufsuchen, wo sie sich von selbst darbieten, oder sie absichtlich durch den Versuch herbeiführen. Wir suchen dabei scharf und bestimmt die Bedingungen abzugrenzen, von denen es abhängt, ob ein gewisser Erfolg eintritt oder ausbleibt, beziehlich in welcher Grösse er eintritt, und ruhen nicht eher, als bis wir in jedem einzelnen neu eintretenden Falle ähnlicher Art vorauszusagen wissen, was geschehen wird. Indem wir das Gefundene in genau definirte Begriffe fassen, in Wort und Schrift fixiren, erweitern wir die Erfahrung jedes Einzelnen durch die Erfahrung aller Mitlebenden und Vorausgegangenen. Wir sind dabei sicher, dass jede Abweichung von einem für wahr gehaltenen Gesetz die allgemeine Aufmerksamkeit um so stärker erregen wird, je fester der Glaube an seine Richtigkeit war. So bleiben die schon gewonnenen Ergebnisse der Wissenschaft einer dauernden Controle ihrer Richtigkeit oder eventueller Verbesserung unterworfen. Aber alles dies ist im Grunde nichts als eine möglichst sorgfältige und consequente Ausführung dessen, was ein verständiger Mann für die nächstliegenden praktischen Zwecke auch ohne alle wissenschaftliche Schulung zu thun pflegt.

Natürlich dürfen wir uns nicht darüber wundern, wenn dem Jünger der Wissenschaft eine um so schwerere Arbeit des Denkens zugemuthet wird, je umfassender und je schärfer bestimmt die Gesetze werden, welche er verstehen und anwenden soll. Die allgemeinsten Principien der Mechanik in ihrer abstract mathematischen Fassung scheinen freilich von der Anschaulichkeit eines populären Erfahrungssatzes weit entfernt zu sein. Sie sind die Zauberformeln geworden, mit deren Hülfe die moderne Menschheit die widerstrebenden Gewalten der Natur in ihren Dienst gebannt hat, und doch (Seite 34) sind sie auf demselben Wege gewonnen, der mit kleinen Fertigkeiten und Kunstgriffen des häuslichen Lebens und des Handwerks begonnen hat.

Dass die Nationen des classischen Alterthums weniger naturwissenschaftliche Kenntnisse gehabt haben als wir, die wir auf ihren Schultern stehen, wird uns nicht in Erstaunen setzen dürfen. Wir wundern uns vielleicht öfter darüber, dass sie dieses und jenes gewusst haben, als über das Gegentheil. Was uns aber immer wieder in Verwunderung setzt, ist, dass diese Völker, die in der Ausbildung der Sprache, des Rechtes, der staatlichen Ordnung, in der Geschichtsschreibung und philosophischen Abstraction uns in keiner Weise nachstanden, in vielen Richtungen künstlerischer Thätigkeit uns sogar entschieden überlegen waren, eine auffallende Unfähigkeit zeigen, die richtigen Wege für die Lösung naturwissenschaftlicher Probleme zu finden, ja auch nur die richtigen Fragen zu stellen. Es macht den Eindruck, als sei ihnen die Methode, welche schliesslich die reichen Früchte gezeitigt hat, zu einfach und zu einfältig erschienen, um Grosses von ihr zu hoffen, und dass sie geglaubt haben, erheblichere Resultate nur durch stärkere Anspannung des Denkens erreichen zu können.

Dass ihnen die Fähigkeit, die ich vorher als gesunden Menschenverstand ohne wissenschaftliche Schulung bezeichnete, auch in der Beobachtung der Aussenwelt nicht gefehlt habe, brauche ich nicht hervorzuheben. Sie ist ausserdem dem künstlerischen Talent und der Fähigkeit, charakteristische Typen künstlerisch darzustellen, nahe verwandt. Denn ein solcher Typus ist auch die Erscheinungsweise eines gesetzlichen Verhaltens. Wir finden geradezu ein hervorragendes Beispiel einer solchen mehr künstlerischen als wissenschaftlichen Begabung in Hippokrates. Er hat die Regelmässigkeiten im Ablauf und in der Verbreitung der Krankheiten aufzufinden und zu beschreiben gewusst und so die erste Ordnung in diesem Gebiete geschaffen, in (Seite 35) welchem unverkennbar die Sonderung der verschiedenen zusammenwirkenden Ursachen am allerschwierigsten ist. Wissenschaftliche Schulung fehlt ihm nicht ganz. Eine ziemliche Anzahl guter medicinischer Kenntnisse scheint in der Schule des Asklepiaden, aus der er hervorging, überliefert worden zu sein, und er kannte, was seine Zeit an wissenschaftlichen Theorien hervorgebracht hatte. Diese waren aber freilich der Art, dass man urtheilen muss, Hippokrates sei trotz seiner theoretischen Bildung nicht durch dieselbe ein grosser Arzt geworden. Er bezieht sich auf seine Theorien übrigens immer nur da, wo sich ihre Folgerungen den Thatsachen gutwillig anpassen; wo nicht, übergeht er sie mit Stillschweigen. Seine Schüler und Nachfolger aber, denen die Hauptsache, nämlich sein ausgezeichnetes Beobachtungstalent fehlte, suchten seine Grösse gerade in dem, wo er schwach war, nämlich in den Theorien, und zogen aus diesen deductiv Schlüsse, die sie nicht etwa an den Thatsachen prüfen zu müssen meinten, sondern die sie statt der Thatsachen festhielten. Dasselbe Verhältniss wiederholte sich immer wieder, so oft ein grosser Meister der Beobachtung aufgetreten war, und kann als das charakteristische Zeichen einer Entwickelungsstufe der Wissenschaft angesehen werden, wo diese noch nicht zum Bewusstsein der richtigen Principien ihrer Methode gekommen ist.

Allerdings haben die Griechen auch zur Auffindung dieser Principien die ersten Schritte gethan. Dass es darauf ankomme, in den Beobachtungswissenschaften zunächst einen möglichst vollständigen Ueberblick der Thatsachen zu gewinnen und die Erfahrungen der Generationen zu sammeln, hat Aristoteles richtig erkannt und sich selbst an das Werk gemacht, um dies für die naturhistorischen, zum Theil auch für die physikalischen Wissenschaften zu leisten, Galenus später für die medicinischen, beide mit grosser Einsicht und richtigem Urtheil. Daneben haben Sokrates und Aristoteles auch richtige Anfänge der Erkenntnisstheorie (Seite 36) entwickelt, ersterer, indem er die wissenschaftliche Wichtigkeit der Bildung von scharf definirten Begriffen an Beispielen erläuterte, letzterer, indem er die logischen Principien der deductiven Methode, die Darstellung der Folgerungen aus gegebenen Vordersätzen entwickelte. Was beide in dieser Beziehung geleistet haben, machte grossen Eindruck auf ihre Zeitgenossen und erregte überschwengliche Hoffnungen. Für uns ist es kaum noch möglich, uns in einen Zustand der geistigen Bildung zurückzudenken, wo die Sätze der gewöhnlichen Logik als neue und überraschende Einsichten erscheinen, und doch mag keine geringe Kraft der Abstraction dazu gehört haben, sie das erste Mal klar in Worte zu fassen. Die deductive Methode findet ihre berechtigte Anwendung aber erst dann, wenn richtige und hinreichend allgemeine Vordersätze gewonnen worden sind, aus denen Folgerungen für besondere Fälle hergeleitet werden können. Dies war dem Alterthum nur in einem Gebiete, dem der Geometrie, gelungen, welche, wie es scheint, zuerst von den Aegyptern für praktische Zwecke ausgearbeitet, von Pythagoras den Griechen überliefert und von Euklides in eine schon sehr vollendete wissenschaftliche Form gebracht wurde. Dass auch die Axiome der Geometrie, diese allgemeinen Vordersätze, aus denen alle anderen abgeleitet werden können, aus der Erfahrung und nicht aus der Natur des reinen Denkens abgeleitet sind, habe ich an anderem Orte zu beweisen gesucht.

Uebrigens waren auch einige physikalische Gesetze im engeren Sinne schon dem Alterthum bekannt. Pythagoras kannte die einfachen Verhältnisse der Länge von Saiten, welche den consonanten musikalischen Intervallen entsprechen. Archimedes kannte die Gesetze der Zurückwerfung des Lichtes und viele Gesetze der Statik, z. B. die für das Gleichgewicht des Hebels und für das der in Flüssigkeiten eingetauchten schweren Körper. Er begründete darauf die noch jetzt gebrauchten Methoden, das specifische (Seite 37) Gewicht der Körper zu finden. Hero kannte die Wirkungen des Luftdruckes, Claudius Ptolemaeus die Gesetze der Strahlenbrechung in der Atmosphäre.

Namentlich aber in der Astronomie hatte man schon früh eine ziemlich genaue Kenntniss von der Weise, wie Sonne, Mond, Planeten und Fixsterne sich am Himmel scheinbar bewegen. Auch hier waren Aegypter und Babylonier den Griechen vorangegangen. Der Kalender für die bürgerliche Zeitrechnung wurde allmählich immer mehr verbessert und genauer mit den Bewegungen von Sonne und Mond in Einklang gesetzt. Die astronomischen Forschungen waren sehr geeignet, durch die Anschauung der genauen und unabänderlichen Gesetzmässigkeit in so grossen Verhältnissen den menschlichen Geist zum Aufsuchen einer ewigen Ordnung hinzuleiten, aber die Gesetze, die man zu formulieren wusste, bezogen sich zunächst nur auf die äussere Erscheinungsweise der himmlischen Bewegungen. Wenn auch Vorstellungen von der wahren Art der Bewegung der Erde um die Sonne gelegentlich aufgetaucht sind, so war weder in der Astronomie der Alten, noch in den musikalischen Beobachtungen des Pythagoras, noch in den medicinischen des Hippokrates die geringste Spur von einem Verständniss der Mechanik dieser Erscheinungen. Es folgt während des Mittelalters eine lange Zeit geistiger Unselbständigkeit, Ueberschätzung der deductiven Methode und der Autorität der alten Meister, namentlich des Aristoteles und des Hippokrates. Das erste neue Erwachen selbständiger Forschung musste ein harter Kampf gegen diese Autoritäten sein, wie ihn Copernicus in der Astronomie, Vesalius in der Anatomie, Harvey in der Physiologie zu führen hatten.

Der Fortschritt wurde zunächst hauptsächlich durch die Astronomie herbeigeführt. Die Gesetzmässigkeit der Planetenbewegungen erschien als eine außerordentlich viel einfachere und verständlichere, seitdem Copernicus die Sonne als den feststehenden Mittelpunkt des Systems zu betrachten (Seite 38) gelehrt, und Kepler die regelmässig elliptische Form der Bahn, sowie die einfachen Gesetze, welche die Geschwindigkeit der Fortbewegung jedes Planeten in seiner Bahn bestimmen, aufgefunden hatte. Der entscheidende Schritt aber wurde durch Galilei und I. Newton gethan, indem sie den Begriff der bewegenden Kraft nach seiner wahren Bedeutung entwickelten. Ersterer that es zunächst an dem Beispiel der irdischen Schwere. Seine Darstellung ist noch eine bildliche, indem er die Wirkung einer continuirlich wirkenden Bewegungskraft mit der einer Reihe kleiner in kurzen Zwischenräumen auf einander folgender Anstösse vergleicht. Newton war im Stande, mit Hülfe der schärfer definirten neuen Begriffe der Differentialrechnung die Kraft in rein begrifflicher und ganz scharf bestimmter Form nach Grösse und Richtung durch das Product aus der Masse des von ihr angegriffenen Körpers und seiner Beschleunigung zu defmiren. Diese Definition, angewendet auf die Planetenbewegungen, führte die verwickelte Reihe von Erscheinungen auf das höchst einfache Gesetz der allgemeinen Anziehung aller schweren Körper gegen einander zurück und stellte damit das glänzendste und imponirendste Beispiel für die einfache und strenge Gesetzmassigkeit der Natur und das Vorbild für die Ziele hin, denen die Wissenschaft nachzustreben habe. Durch das Gravitationsgesetz war der Ort und die Geschwindigkeit jedes Planeten nicht bloss in grober Annäherung, sondern mit den feinsten Messungen übereinstimmend und für unabsehbare Zeiten genau quantitativ bestimmt. Was noch fehlte, war nur die vollständige Berechnung der sogenannten Störungen, welche die Planeten durch ihre wechselseitige Anziehung auf einander hervorbrachten. Diese Aufgabe wurde hauptsächlich durch Laplace gelöst. Was die Theorie anzeigte, fand sich in der Beobachtung nachträglich bestätigt.

Möglich wurde die vollständige Anwendung der genannten mechanischen Principien durch die gleichzeitige (Seite 39) Entwickelung der Mathematik, nämlich durch Descartes' analytische Geometrie, in der alle geometrischen Probleme zu Aufgaben der Rechnung gemacht werden, und durch die von Leibniz und Newton entwickelte Analysis, das heisst die Rechnung mit continuirlich veränderlichen Grössen.

Man hatte längst die letzten verborgenen Ursachen der Naturerscheinungen als Kräfte bezeichnet, diese als inhärent den Stoffen, als dauernd bestehend und dauernd wirksam betrachtet. In der schon vor Galilei und von ihm entwickelten Lehre von der Zusammensetzung verschiedener Kräfte, die auf denselben Punkt wirken, war die Selbständigkeit jeder einzelnen und ihre Unabhängigkeit von den gleichzeitig vorhandenen anderen Kräften anerkannt. Aber bis dahin war die Kraft immer noch ein hypothetisches Abstractum gewesen. Der grosse Fortschritt, der in Galilei's und Newton's Auffassung lag, war, dass sie nun die Bedeutung einer beobachtbaren Thatsache bekam, der Beschleunigung, d. h. der für die Secunde berechneten Aenderung der Geschwindigkeit, multiplicirt mit der Masse des bewegten Körpers. Wenn Newton die Kraft von der Entfernung der Körper abhängig machte, so war darin ein unveränderliches Verhältniss beobachtbarer Thatsachen ausgesprochen; die Beschleunigungen beider Körper werden von ihrer Lage abhängig gemacht. Es zeigte sich bald, dass die ganze Mechanik, die Lehre vom Gleichgewicht, wie die von der Bewegung aller Arten von Körpern aus diesen Principien entwickelt werden konnte, und Newton's Gravitationsgesetz wurde das Vorbild, nach dem die Erklärungen auch in allen anderen Zweigen der Physik durchgeführt wurden. Erst die Elektrodynamik hat Probleme gestellt, die sich nicht mehr auf dieses Schema zurückführen lassen.

Wenn es die Aufgabe der Naturwissenschaften ist, zu suchen, was unabänderlich bleibt in dem Wechsel der Erscheinungen, so hatte die Entwickelung des Begriffes der Kraft und des durch sie als zwingende Macht anerkannten (Seite 40) Gesetzes der Erscheinungen dieser Forderung nur nach einer Richtung hin Genüge gethan. Es lag auch noch die Aufgabe vor, die unzerstörbaren, mit unveränderlichen Kräften begabten Stoffe zu suchen, die wir jetzt „chemische Elemente“ nennen. Dass diese Aufgabe vorliege, haben auch die Alten richtig gesehen, aber ihre Versuche, sie zu lösen, zeigen nur, wie weit sie von der Einsicht in die richtige Methode entfernt waren. Ihre vier Elemente sind Producte einer Hypothese, die nur die auffallendsten Unterschiede des Aggregatzustandes berücksichtigte, und bei der an eine thatsächliche Prüfung nie gedacht wurde. Eine solche begann, wenn auch nicht zu wissenschaftlichen Zwecken, bei den Alchemisten des Mittelalters. Die Frage, ob Gold aus anderen Stoffen zu machen sei, fiel zusammen mit der Frage, ob es Elementarstoffe gebe, die nicht in einander verwandelt werden können. Dass die Elemente nur auf dem Wege des Versuchs zu finden seien, dass ihr Gewicht unveränderlich sein müsse, hat R. Boyle (1627 bis 1691) zuerst deutlich ausgesprochen, aber die Unbekanntschaft mit der Natur der Gase und die damit zusammenhängenden Schwierigkeiten der Verbrennungstheorie verzögerten noch ein Jahrhundert lang die richtige Durchführung dieser Principien, bis Lavoisier, gestützt auf Priestley's Entdeckung des Sauerstoffs und auf H. Cavendish's Nachweis, dass Wasserstoff verbrannt Wasser erzeuge, die Rolle des Sauerstoffs bei der Verbrennung richtig erkannte und sein neues System durch den Nachweis bekräftigte, dass in der That das Gewicht keiner der von ihm als Elemente hingestellten Substanzen durch Schliessung oder Lösung einer chemischen Verbindung jemals geändert werde.

Damit waren die principiellen Fragen im Wesentlichen entschieden. Die Wissenschaften, welche die lebenden Organismen erforschen, haben sich in den bisher besprochenen Perioden der jedesmaligen Entwickelung der physikalischen und chemischen Theorien angeschlossen. Ihre Aufgabe (Seite 41) erschien zunächst zu verwickelt und zu schwierig, als dass von ihnen aus principielle Fragen zu entscheiden waren. Erst in der neuesten Zeit ist dies anders geworden. Diese Entwickelung ist aber so neu, dass darüber kaum Geschichte zu schreiben ist.“


S. 31 - 41 aus:
Koenigsberger, Leo: Hermann von Helmholtz. - Braunschweig : Vieweg
Band 2. - 1902


Letzte Änderung: 24. Mai 2014     Gabriele Dörflinger   Kontakt

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